Rundgang Eichelberg
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Kelterstraße 29, Obersulm-Eichelberg
Die Geschichte der Eichelberger Kelter beginnt eigentlich als Geschichte der „Hundsberger Kelter“ im Jahr 1738. Ein Widmungsstein an der Kelter in Eichelberg (Abb. 2) bekundet als vielleicht ältestes erhaltenes schriftliches Zeugnis den Ursprung der Kelter als Familienbesitz im Freiherrlich von Weilerschen Eigentum mit den Initialen ,,F-V-W“.
Diese gehen eindeutig auf Friderich von Weiler (Johann Friedrich von Weiler 1685 — 1743) und dessen zweiter Gemahlin Christina von Berlichingen zurück, wie die Zuordnung der Wappen erkennen lässt (Weilerisches und Berlichinger Wappen mit fünfspeichigem Rad). „L-V W“ hingegen könnte Ludwig von Weiler heißen. Möglicherweise war dies ein Bruder des Friederich, der den Namen des Vaters (Ludwig von Weiler 1657-1729) trug. (Nach Wanner 1996)
Dass die Kelter am Hundsberg (damals auch ,,Hunsberg“ geschrieben) erstellt wurde, hatte rein praktische Gründe: Die Freiherrschaft von Weiler war seit undenklichen Zeiten gefällberechtigt und musste daher den Weinzehnt- und Ge- fallmostpflichtigen eine Kelter zur Verfügung stellen, denn keinem „Weingartbesitzer“ war es erlaubt, seinen Wein in einer privaten Kelter zu keltern. Da bei der Weinlese aus Mangel an Fuhrmöglichkeit das Lesegut oft Butten für Butten zu Fuß in die Kelter getragen werden musste und die Weilermer Kelter zu weit abgelegen war, zudem auch manche Eschenauer nach Weiler gefällpflichtig waren, bot sich dieser Standort inmitten der Weingarten am Hundsberg geradezu an. Die Kelter entstand als einfache Kelterhalle 53 x 36 Fuß groß (ca. 15 x 10 m) und bot gerade Platz für zwei Kelterbaumpressen. Zum Unterstellen der Butten und Gerätschaften unter dem Vordach (ca. 15 x 4m) reichte der Platz allerdings nicht aus. (Abb. 3)
Über viele Jahrhunderte hatten Eichelberg und Weiler eine gemeinschaftliche Markung, die „wegen beträchtlicher Mißhelligkeiten zwischen beyden Orten über ihren Verband“ (nach Angerbauer 1983) 1830 getrennt wurden. Von da an bevorzugten die Eichelberger zunehmend die Hundsberger Kelter, was zwei Nachteile mit sich brachte: Erstens war die Kelter zu klein und zweitens lag sie sehr weit vom Ort weg. Diesem Dilemma konnte jedoch nur die Gutsherrschaft von Weiler abhelfen, denn nur sie besaß die Kelterbaumrechte. 1836 wird erstmals seitens des Oberamtes Weinsberg schriftlich bestätigt, dass der Wunsch der Gemeinde Eichelberg auf Keltererweiterung zur weiteren Veranlassung durch das Rentamt Weiler an den Woellwarthschen Vormund des seinerzeit minderjährigen Freiherrn Wilhelm Friedrich Franz von Weiler gerichtet wurde (GA! Obersulm EB 6, S. 71b).
Der WerkMeister Kronmayer von Heilbronn sollte beauftragt werden, drei verschiedene Varianten zu untersuchen und Pläne nebst Überschlagsrechnungen zu fertigen:
Diese dritte Variante (Abb. 4) hatte es den Eichelbergern besonders angetan, und sie konnten offensichtlich bei einem Ortstermin die verantwortlichen hohen Herren von Vormundschaft, Rentamt und Rechtsvertretung des Freiherrn von Weiler von der Nützlichkeit und Wirtschaftlichkeit dieser Lösung überzeugen: „Würde die Gnädige Herrschaft eine 3. Kelter auf den Haußaker erbauen, so währen wenigstens 1000 fl. (Gulden) Kosten erspart. Die Baumaterialkosten in anschlag der Fuhren (betragen) nur die Helfte, die Zehntabfuhren auch nur die Helfte. Der Bauplaz ist angebotten, den würde man billig bekomen. Man hätte da nur die Helfte Plaz nöthig zu kaufen, indem wir unsern dabey liegenden Almendblaz unentgeltlich dazu benutzen ließen. Auch währe in der Nähe der Brunen des Wengerts u. die sogenante Hohe Gaße, u. WaBer zu haben, um das Vieh zu tranken. Und weil zu Zeiten des Herbst die Fuhrwerke Rahr sind, so hätte man auf diesem blaz gar keine Fuhren mehr nöthig. u. könnte alles getragen werden“ (GA Obersulm EA 72, Beil.Nr. 2).
Dieser Plan konnte jedoch wegen der Eigentumsverhältnisse nicht verwirklicht werden: Ein Tausch eines lehnbaren gegen ein lehnfreies Grundstück kam aus grundsätzlichen Erwägungen nicht zustande. Beide Vertragsparteien — die Freiherrschaft von Weiler wie die Gemeinde Eichelberg — befürchteten zu große Nachteile. Die Eichelberger ließen sich von diesem Rückschlag für den Plan einer ortsnahen Kelter jedoch nicht entmutigen. Kurze Zeit später erhoben sie erneut, diesmal als „unterthänigste Bitte“, die Forderung, wenigstens eine Kelterhallenerweiterung zu bekommen. Sie mussten nämlich auf polizeiliche Anordnung dafür sorgen, dass die im Freien aufgestellten Mostbütten mit Deckel gut verschlossen sein sollten. Da nun aus gleichem Grunde in der Weilermer Kelter bereits Hallen erbaut worden waren, wollten die Eichelberger dem nicht nachstehen. Sie sahen sich nämlich in mehrfacher Hinsicht benachteiligt, denn „diese zweckmäßige Einrichtung wäre in der Hundsberger Kelter um so mehr eine Nothwendigkeit, da dieselbe dem Wind und Regen weit mehr ausgesetzt ist, als die Kelter zu Weiler, (...) und weil die jährliche Reparation der noch immer im Freien befindenden Kelter Geräthschaften sehr kostspielig wird“. Es wurde der Gutsherrschaft zwar gleichzeitig anerkannt, dass die Kelter in den zurückliegenden Jahren manche Verbesserung erfahren habe, jedoch monierten die Eichelberger, „die zweckmäßigste und nützlichste Einrichtung geht derselben noch ab. Wir fühlen diesen Mangel um so mehr, da die hiesige arme Gemeinde den Weinbau als ihre HauptNahrungsQuelle anzusehen hat. Überdies würde diese gewünschte Einrichtung nicht nur unser Vortheil, sondern auch den der gnädigsten Herrschaft befördern“ (GA Obersulm EA 72, Nr. 24 vom 12. März 1839).
Diesem dringenden Anliegen der Eichelberger entsprach dann die Freiherrschaft von Weiler, indem — vermutlich zuerst 1837 — die Kelter für zwei englische Pressen (Spindelpressen) an der einen Seite um 45 Fuß verlängert wurde und dann 1839 eine 75 Fuß lange Büttenhalle an der anderen Kelterseite mit einem Aufwand von 1.230 Gulden erbaut wurde. Die Kelter hatte nun die stattliche Länge von 173 Fuß (knapp 50 m) bei gleicher Breite von 36 Fuß (ca. 10,30 m). Mit dem ursprünglichen Keltervordach — jetzt als Kelterstübchen ausgebaut — war eine Grundfläche von 565 qm überbaut, wie dies aus der Messurkunde 255 von 1880 hervorgeht.
Nach Ablösung des Kelterzehnten 1849 bzw. 1857 wurde die Kelter in den Besitz der Gemeinde Eichelberg übergeben. Die Ablösungssumme wurde auf 27.983 Gulden festgesetzt, zahlbar in 15 Jahresraten zu 2.400 Gulden. Um die angebaute Büttenhalle entstand allerdings noch ein Rechtsstreit, weil die Herrschaft von Weiler der Meinung war, diese sei weiterhin ihr Privateigentum. Erst 1861 wurde endgültig zugunsten der Eichelberger entschieden: Kelter und Kelterhalle gehörten nun der Gemeinde — allerdings ohne den umliegenden Kelterplatz.
Den Nachteil der ortsfernen Lage am Hundsberg musste man freilich hinnehmen. So wie die Trauben zum Abpressen meist in die Kelter getragen wurden, musste auch anschließend der gekelterte Wein, der nicht verkauft worden war oder der für den Eigenbedarf gedacht war, in Butten in die heimischen Keller nach Eichelberg oder Weiler getragen werden. Dies war ein langer und beschwerlicher Weg. Auf halber Strecke, nach ca. 600 m, an der Wegkreuzung, wo die Weilermer Wengerter sich dann dem Tal zuwandten, bot die ,Ruegstatt‘ (Ruhestatt) Gelegenheit, den schweren Butten zum kurzen Verschnaufen auf steinernem Podest abzustellen, ohne den Butten ganz vom Rücken nehmen zu müssen.
Mit der Übergabe der Kelter in Gemeindeeigentum übernahm die Gemeinde natürlich auch die Unterhaltung des Gebäudes. In Anbetracht der großen finanziellen Lasten, die Eichelberg mit der Schaffung seiner gemeindlichen Einrichtungen im 19. Jahrhundert auf sich genommen hatte, lässt sich leicht vorstellen, dass nur die notwendigsten Erhaltungsmaßnahmen finanziert werden konnten. Dies blieb nicht ohne Folgen: 1911 berieten Gemeinderat und Bürgerausschuss über die „sehr schadhaft“ gewordene Kelter, die „einer großen Reparatur bedürftig“ sei. Die Kelterstube — ein seitlicher Anbau - sollte abgerissen werden und in die Kelter verlegt werden, da „das Dach der alten Kelterstube sehr flach und viel zu unterhalten kostet.“ Ein halbes Jahr später wurden ebenfalls notwendige Reparaturen der zwei kleinen Pressen diskutiert. Der Gemeinderat beschloss jedoch nur die Umdeckung des Daches von Kelterstube und ,Plavon‘ (Vordach), da ohnehin die „Anschaffung einer Hydraulischen Preße geplant ist“ (GA Obersulm EB 15, 8.55).
Zwischenzeitlich war der 1. Weltkrieg auch an Eichelberg nicht spurlos vorbeigezogen. Nach anfänglicher Begeisterung für die angebliche Sache des Vaterlandes kam Ernüchterung und schließlich die Erkenntnis, dass der Verlust der Angehörigen für die Familien wie für das soziale Miteinander im Lebensgefüge des Ortes unwiederbringliche Lücken hinterlassen hatte. Die Zeitentwicklung nahm einen unvorhersehbaren Verlauf: Anfängliche wirtschaftliche Not als Kriegsfolge einerseits lief die Leute im Dorf verstärkt zusammenrücken. Andererseits brachten dann die Jahre 1917 - 1921 gute bis sehr gute Erträge in Weinbau und Landwirtschaft, was das Ende der wirtschaftlichen Not mit sich brachte. Der Chronist bemerkt dazu über den Herbst 1921: Die Trollinger hingen bei einem reichlichen und gesunden Behang da wie schwarze Katzen, so reif war der Trollinger seit Jahrzehnten nicht mehr. Der Hundsberger war wie Rindsblut so dick und rot. Die Öchslegrade bewegten sich zwischen 90 und 100 Grad. Es war ein ausgesprochener Ausstichwein, der in 5 Jahrzehnten vielleicht einmal wächst“ (GA Obersulm EB 142, S. 18).
Die Ertragseinnahmen waren extrem gut und mit der sich deutlich ankündigenden Inflation kam unverhofft die Befreiung von Schuldenlasten. 1922 erhielt man für einen Eimer Wein 1.000 Mark. So erstarkten Lebenshoffnung und Lebensmut außerordentlich und der Wille zu investieren.
Erneuerung war bemerkenswert: Bereits im November 1921 befand der Gemeinderat unter Schultheiß Wilhelm Frisch: „Die hiesige Gemeinde hatte in den letzten Jahren ansehnliche Herbsterträge an Wein u. Obst. Im heurigen Herbst hat sich der allgemeine Wunsch (...) um eine neue Gemeindekelter mit hydraulischer Presse an Stelle der alten, schadhaften und abgängigen Kelter am Hundsberg bemerkbar gemacht“. (GA Obersulm EB 15, S. 289). Der Gemeinderat fasste daher den Beschluss, eine neue Gemeindekelter mit hydraulischer Presse zu erstellen.
Das Vorhaben kam allerdings „wegen Differenzen in der Platzfrage nicht zur Ausführung!“ (GA Obersulm EA 73, 1921). Es wurde erst 1924 verwirklicht. Nachdem die Zeit der Hochinflation 1923 die Weingartner schuldenfrei gemacht hatte und die Papiermark von der wertbeständigen Goldmark abgelöst war, fasste der Gemeinderat unter seinem neuen Schultheiß Christian Frisch am 13. Februar 1924 den endgültigen Baubeschluß. Die baufällige Hundsberger Kelter sollte abgerissen werden und in Gemeindenähe „in solchen Größenverhältnissen wieder aufgebaut werden, wie die vorhandenen Baumaterialien, insbesondere das Bauholz dies zulassen.“ (GA Obersulm EB 16, S. 39).
In Anbetracht der Kosten blieb man bescheiden. Vor allem das Ansinnen einiger Bürger, auch gleichzeitig einen Keller unter der Kelter zu errichten muße der Gemeinderat ablehnen, da die Gründung einer „Weingärtner-Gesellschaft“ nicht zustande kam. Deren Gesellschafter hatten nämlich „auf finanziellem Gebiet“ persönliche Garantien, also die Haftung mit ihrem privaten Vermögen zu übernehmen gehabt, wofür sich allerdings niemand bereit fand.
Mit der Planung wurde Ortsbautechniker Schnaitmann von Löwenstein beauftragt, der die Kosten mit 13.000 Mark incl. der neuen hydraulischen Presse veranschlagte.
Das Grundstück wurde durch Tausch der Parzelle 7638/1 u. 2 (Landwirt Adolf Pfeiffer) mit der Parzelle 742/1 (Gemeinde) erworben, wobei vereinbart wurde, „ein Aufgeld ist von keiner der beiden Parteien zu entrichten, während die entstehenden Kosten von der Gemeinde getragen werden müssten“. Der Wert der beiden Tauschobjekte wurde auf 600 Mark taxiert.
Die Finanzierung des Objektes stellte sich in Anbetracht der Inflationszeit sehr schwierig dar. Das Verwaltungsaktuariat in Weinsberg beschaffte schließlich ein Darlehen über 10.000 Goldmark bei der Württ. Girozentrale Stuttgart zu einem anfänglichen Zinssatz von 12% p.a., der kurzfristig wegen der Geldverknappung im Juli 1924 bis auf 24% stieg!
Im Sommer 1924 war das Bauwerk erstellt. Pläne können heute leider nicht mehr gefunden werden. Allerdings lässt der Vergleich der Keltermaße von 1880/81 (Abb. 5) mit den Altbaumaßen im Plan von 1934 erkennen, dass die Kelter nicht wieder in ursprünglicher Größe erstellt worden war. Man wollte ja auch nur so groß wieder aufbauen, wie es das Material vom Hundsberg zuließ.
Jetzt war die Kelter bei gleicher Breite und 41 m Länge um ca. 8,50 m kürzer. Dafür hatte man nun aus dem ehemaligen Kelterstübchen bei gleicher Breite (3,55 m) einen Kelteranbau mit 36 m Länge entwickelt.
Es ist nun von „oberer und unterer“ Kelter bei der Festsetzung der „Büttenstandsgelder“ im November 1924 die Rede. Damit sind die beiden Anbauten aus dem 19. Jahrhundert gemeint. An der unteren Stirnseite (nach Nord) befand sich die Einfahrt, während am oberen Kelterteil nur ein seitliches Tor zur Kelterstraße (heutiger Haupteingang) befand. Die hydraulische Presse wurde im Oktober 1924 für 3.100 Goldmark von der Firma Kleemann, Obertürkheim, geliefert und im ätesten, mittleren Kelterteil montiert. Nachdem sie durch das Überlandwerk Öhringen ans Stromnetz angeschlossen war, konnte der erste Herbst eingefahren werden.
Der Ort Eichelberg wurde bereits seit 1916 mit elektrischem Strom versorgt. Die Abrechnung des gesamten Kelter-Bauvorhabens durch das Verwaltungsaktuariat Weinsberg belegte am 25. Mai 1925 den Gesamtbetrag von 14.342,37 Mark inclusive 15 Mark für 500 Brezeln, geliefert von Bäckermeister Reber aus Eichelberg zur Ausgabe „an sämtliche Gemeindeeinwohner anlässlich der Keltereinweihung“ am 4. April 1925. Bezahlt wurde jene Rechnung erst am 27 Juli 1925; also längst überfällig, wie im übrigen viele andere Rechnungen des gesamten Projekts auch, was einfach mit der nachinflationären schwierigen Kassenlage der Gemeinde zusammenhing.
Schon bald nach der Umsiedlung der Kelter vom Hundsberg an den Ortsrand, kam man mit dem Kelterraum nicht mehr zurecht: Die Kelter war einfach zu klein geraten. In einer Zeit erneuter wirtschaftlicher Rezession Anfang der 30-er Jahre merkten die fast ausschließlich vom Weinbau lebenden Eichelberger alsbald, dass „unter allen Umständen zur Sicherung des Kelterbetriebes und der erforderlichen raschen Bedienung der Weinkäufer eine zweite hydraulische Presse“ angeschafft und der vorhandene Kelterraum erweitert werden musste. (GA Obersulm, Beilage 129 zur Gde.-Pflegrechnung Eichelberg).
Die Angst, mit der Konkurrenz nicht mithalten zu können, weil die einzige Presse vielleicht ausfallen könnte, bewegte die Bürger zur erneuten Kelterverlängerung. Am 27. Januar 1933 beschloss der Gemeinderat unter Schulheiß Frisch, ein solches Projekt beim Reichskommissar für Arbeitsbeschaffung anzumelden. Gleichzeitig bedauerte er jedoch, dass das „Unternehmen in der Hauptsache Materialkosten verursachen werde (...), dass aber ohne eine sehr weitgehende Unterstützung die Gemeinde dazu nicht in der Lage ist.“ (GA Obersulm, EB 17, S. 150).
In der von Oberamtsbaumeister Rebmann geplanten Verlängerung der Kelter um 17 m nach Norden wurden die voraussichtlichen Kosten mit 10.000 RM veranschlagt. Das finanzschwache Eichelberg fand in Verwaltungsaktuar Gettling vom Gemeinde-Rechnungsamt Heilbronn einen einflussreichen Fürsprecher, der trotz oder gerade wegen der enormen Deckungslücke im Gemeindehaushalt (65% der Ausgabeverpflichtungen!) die entsprechenden Finanzierungstöpfe erschließen konnte.
Mit seinem Vorstoß, die Eichelberger auch gleichzeitig wegen der permanenten Schulraumnot für einen „Schullocal-Einbau“ in die Kelterverlängerung zu gewinnen und auch noch ein Feuerwehrgeräte-Magazin darin unterzubringen, hatte jener Verwaltungsaktuar beinahe Erfolg gehabt.
Die erste Planung mit einem Feuerwehrgeräteraum im Erdgeschoss und zwei Schulsälen darüber im aufgestockten (!) Nordteil der Kelter hatte der Gemeinderat noch mitgetragen (Abb. 8). Dieser Plan löste jedoch beim Evangelischen Oberschulrat, der zuständigen Schulbaubehörde, blankes Entsetzen aus:
„Infolge ihrer Größe und bevorzugten Lage am nördlichen Ortseingang ist die Kelter für das ganze Ortsbild von großer Bedeutung. Bei der Erweiterung der Kelter ist daher die überaus wirksame, klare und ruhige Form des Gebäudes weitgehendst zu erhalten.
Der vorgeschlagene Aufbau eines Geschosses mit äußerst unruhiger Dachausbildung zerstört diese große Linie, wirkt fremd und beeinträchtigt damit das Ortsbild ganz erheblich.
Von einem Aufbau der Schule auf die Kelter ist daher abzusehen.“ (Schreiben vom 24.8.1933 — Beilage 129 — a.a.O).
Ein Alternativplan, Schulräume in einer weiteren Verlängerung der Kelter um nochmals 16 m unterzubringen, hätte eine Gebäudelänge von nahezu 75 m bedeutet und kam fiir den Gemeinderaternstlich nicht in Frage“, weil zu teuer. Somit war die »Angelegenheit wegen Beschaffung von Schullocalen für erledigt zu erklären“‘ (Beschlu8 vom 23.09.1933).
Von nun an konzentrierte man sich auf die Verwirklichung des Kelterprojekts und den Bau eines extra Feuerwehrgeräteraumes. Im November 1933 erhielt die Gemeinde von der Württ. Zentralstelle für die Landwirtschaft eine Darlehenszusage aus Reichswinzerkrediten in Höhe von 6000 RM, bei 10-jähriger Laufzeit verzinslich zu 1,5%. Ferner wurde eine Beihilfe von 10% der Kosten des reinen Bauaufwandes in Aussicht gestellt. Die erforderliche Genehmigung zur Schuldenaufnahme erteilte die Aufsichtsbehörde sogleich, und im Januar 1934 konnte die Planung für einen in gerader Gebäudeflucht verlängerten Anbau nach Norden durch Oberamtsbaumeister Rebmann vorgelegt werden. Der notwendige Grunderwerb erfolgte durch Kauf der Parzelle 769 (Emil Friedrich Frisch) mit 4,58 a für 430 RM.
Die Kelterverlängerung musste allerdings nochmals überplant werden und aus der ursprünglichen Richtung um 1,50 m an der Nordseite abgeschwenkt werden. Weil die Ortseinfahrt von Eschenau her so schlecht war, hatte das Kreisplanungsamt zwischenzeitlich die Planung für eine neue Ortseinfahrt anfertigen lassen. Im endgültigen Baugesuch vom 19. März 1934 ist diese Planung deutlich aus dem Lageplan ersichtlich (Abb. 9). Die Bauausführung war im Herbst 1934 bereits abgeschlossen. Im neuen Teil befand sich nun die Zufahrt zur Traubenannahme an der Stelle, wo heute der Notausgang vom großen Keltersaal zur Kelterstraße weist. Gegenüber zur Hofseite befand sich die Ausfahrt. An der Anbaustelle war entgegen der ursprünglichen Planung die neue Presse der Fa. Amos, Heilbronn (Anschaffungskosten 3.500 RM) nicht im neuen sondern im alten Kelterteil untergebracht worden. Besonderes Kopfzerbrechen bereiteten noch die Anordnung der Aborte.
Dazu schrieb die Württ. Zentralstelle für Landwirtschaft in einer Begutachtung im November 1933: „Die Anordnung des Abortzugangs direkt vom Kelterraum aus ist zu beanstanden. Bei dem gewöhnlich nicht ganz einwandfreien Zustand öffentlicher Aborte ist zu befürchten, daß die Leute mit etwas beschmutzten Stiefeln aus dem Abortraum heraus in den Kelterraum treten, der im Herbst wohl auch keinen besonders sauberen Fußboden hat. Auch wird die dem Abort entströmende Luft die Kelter beeinträchtigen.
Es könnte auf einen besonderen Abort überhaupt verzichtet (...) werden. Wenn das aber unzulässig sein sollte empfehle ich, den Zugang je Abort von der Außenseite her anzuordnen.* (Beil. 129 zur Gde.pflegrechnung — a.a.O.)
Der Gesamtkostenrahmen der Keltererweiterung wurde eingehalten und dann 1935 mit 10.200 RM abgerechnet.
Nach Gründung der Weingärtnergenossenschaft Eichelberg am 19. August 1950 wurde an der Ablieferungsstelle für die WG-Mitglieder eine Abbeermaschine aufgestellt. Weitere Umbaumaßnahmen wurden dann erst Anfang der 70-er Jahre vorgenommen. 1969 fasste die Generalversammlung WG Eichelberg unter ihrem Vorstand Willy Sturm den Beschluss, die Annahmestelle aus der Kelter heraus an die Rückseite zu verlegen und deshalb ein Vordach als Flachdach anzubauen. Gleichzeitig wollte die Gemeinde Eichelberg unter ihrem Bürgermeister Horst Bück das Kelterstübchen anbauen.
Architekt Leisterer fertigte die Pläne zum vorläufig letzten ,historischen‘ Baugesuch, welches am 17. Dezember 1970 genehmigt wurde. Die Baukosten waren veranschlagt mit ca. 15.000 DM. Der Herbst 1971 konnte bereits an der neuen Annahmestelle angeliefert werden.
Dank der tatkräftigen und finanziellen Unterstützung durch den Liederkranz Eichelberg unter ihrem Vorstand Eugen Frank war auch das Kelterstübchen bis dahin fertiggestellt. 1977 modernisierte die WG Eichelberg ihre Keltereinrichtung durch Anschaffung von 2 Edelstahl-Abtropftanks und ein Jahr später wurden die beiden vorhandenen Spindelpressen von 1924/1934 ersetzt durch eine große 6.000 ltr. Willmes-Tankpresse. In der Geschichte der Kelter waren diese letzten Maßnahmen mit Kosten von nahezu 150 000 DM wohl die größten Investitionen.
Alle baulichen Maßnahmen und alle Investitionen an der Kelter Eichelberg dienten bis dahin einzig dem Zweck, den wichtigsten Erwerbszweig der Eichelberger, nämlich den Weinbau mit der notwendigen Vorbereitung des Weines für Ausbau und Vermarktung zu ermöglichen und zu erleichtern.
Die Veränderungen in der modernen Weinwirtschaft mit zunehmend größer werdendem Konkurrenzdruck von außerhalb Württembergs ließ es jedoch ab 1980 nicht mehr zu, den Kelterbetrieb mit den wenigen Mitgliedern aufrechtzuerhalten. Den Erfordernissen der Zeit gehorchend fusionierte die Weingärtnergenossenschaft Eichelberg e.G. daher laut Beschluss der Generalversammlung vom 30. Oktober 1981 mit der Weingärtnergenossenschaft Mittleres Weinsberger Tal e.G. Willsbach. Die Kelter hatte nach 243 Betriebsjahren ihre ursprüngliche Bedeutung verloren.
Zwischenzeitlich - seit etwa 1924 - hatte die Kelter noch eine andere Bedeutung erhalten. An jenem Ort, wo das Arbeitsergebnis eines Weinjahres sich in klingender Münze und natürlich an der Freude und am Stolz über die erwirtschafteten Qualitätsergebnisse messen ließ, war man auch zur Dankbarkeit bereit: Jahr für Jahr fand nach dem Herbst gewissermaßen als Erntedankfest das „Aus-der-Kelter-singen“ unter Mitwirkung von Gemeinde, Kirche und Liederkranz Eichelberg statt. Daraus entwickelte sich später der „Eichelberger Sängerherbst“ und dann das Fest „Rund um die Kelter“. Viele private Feste und andere festliche Veranstaltungen fanden mehr und mehr in der Kelter statt, was den Ortschaftsrat und Gemeinderat die Frage nach der grundsätzlichen Nutzungsänderung in ein festliches Dorfgemeinschaftshaus befürworten ließ. Das Werk ist nun vollendet, die Kelter schaut in eine neue Epoche.